Ein Essay von Manuel Gehrke zu Kevin B. Lees -
„War Movies for People Who Don´t Like War Movies“
Kriegsfilme sind ein etabliertes Filmgenre seit Aufkommen der ersten
Propaganda Filme. Schlacht an der Somme
(1916) war ein britischer Propaganda Film, der den Krieg
dokumentieren und die Heldentaten der britischen Soldaten zeigen
sollte. Es handelt sich hier aber keineswegs um eine Dokumentation,
sondern um ein inszeniertes Schauspiel, das sich als Kassenschlager
erwies. Innerhalb der ersten sechs Wochen wurden 20 Millionen Karten
verkauft, was unter anderem an dem Authentizitätsversprechen der
Filmemacher lag. Seitdem ist der Kriegsfilm ein immer wieder
auftretendes Sujet im Kino.
Kevin B. Lees Essay „War Movies
for People Who Don´t Like War Movies“ steigt ein mit einem sehr
prägnanten Beispiel. Das Orchesterwerk, Ritt der Walküren von
Wagner, untermalt den angreifenden Hubschrauberflug in Apocalypse
Now (1979) von Francis Ford
Coppola. Gerade diese Szene zählt zu den bekanntesten des Genres und
findet sich wieder in Sam Mendes Jarhead
(2005), in dem die Soldaten den Film als Vorbereitung auf ihren
eigenen Einsatz auf einer Leinwand schauen. Lees Essay wird von
einem, von ihm gesprochenen, Audiokommentar begleitet. Er zitiert
Truffaut „There is no such thing as a truely anti-war
film“. Und erklärt weiter,
dass es dem Kriegsfilm nicht gelingt, die spektakulären und
heroischen Taten ihrer Protagonisten nicht als verherrlichend
darzustellen. Als Unterstützung für seine Argumentation werden
Bilder aus Stanley Kubricks Full Metal Jacket
(1987) gezeigt, der an Popularität Apocalypse Now
in nichts nachsteht. Hiermit ebnet Lee, der einräumt selber auch
kein großer Freund des Kriegsfilm zu sein, den Weg zu einer anderen
Herangehensweise, die sich in seinen Augen nicht mit der
Verherrlichung von Krieg beschäftigen soll, sondern Humanität in
den Fokus nimmt.
Er spannt den Bogen zur
Dokumentation Marwencol (2010) von Jeff Malmberg, in der der Fotograf Mark Hogekamp mit
Puppen Schauplätze des zweiten Weltkriegs nachstellt. Lee
kommentiert, dass sich über den Fotografen und seine Reenactments
zeigen lässt, wie sich die Bilder aus Kriegsfilmen in unserem
Gedächtnis verselbstständigen und sich das Bedürfnis äußert,
diese Gewaltvorstellungen auszudrücken.
La France (2009) von Serge
Bozon ist das zweite Beispiel, das Lee für prädestiniert hält, in
den Pool der „Kriegsfilme für Menschen, die keine Kriegsfilme
mögen“ aufgenommen zu werden. Hier rücken die Sehnsüchte und
Verdrängungen der Soldaten, die durch den Krieg bedingt werden, in
den Mittelpunkt. Sie drücken ihre Einsamkeit durch Popsongs aus, die
sie an überraschenden Punkten des Films performen.
Im letzten Teil des Essays
vergleicht Lee alle vier angeführten Beispiele und beschreibt La
France und Marwencol als Filme, die kein gewaltvolles Spektakel inszenieren wollen,
sondern komplexe Emotionen der Protagonisten.
In der letzten Einstellung nutzt Lee
den Splitscreen, um noch mal die Bilder aus den aufgeführten Filmen
gegenüber zu stellen und die Diversität ihrer Herangehensweise zu
manifestieren.
Die Filme, die Lee auswählt,
„Kriegsfilme für Menschen, die keine Kriegsfilme mögen“,
benutzen interessante Strategien, um Krieg zu zeigen und die
Komplexität, die er mit sich bringt erfahrbar zu machen. Lee
klammert aber auf der Seite der „etablierten“ Kriegsfilme viele
Beispiele aus, die bereits mit anderen Darstellungsarten überzeugen.
Selbst Filme wie Full Metal Jacket
oder Apocalypse Now
bieten im Kontext mehr als ein überzogenes Feuerwerk aus Action und
Gewalt. In beiden Filmen gibt es tief ausgebaute Charaktere, die uns
zeigen, wie durch die Grauen des Krieges die Psyche, Sehnsüchte und
Ängste beeinflusst werden. Ich würde ihm nicht komplett
widersprechen, denn die angeführten Verherrlichungen und pompösen
Auftritte der Soldaten finden in den Filmen ihr Setting, aber sie
sind eben nicht alles.
Jarhead zeigt uns den
Irakkrieg ohne, dass wirklich Schüsse fallen oder man direkt an
Kriegssituationen teil nimmt. Die HBO Produktion Generation
Kill (2008) hat bereits das
Element der Soldaten, die Popsongs singen vorweggenommen. Auch hier
wird der Versuch gestartet, die Tiefe einer Persönlichkeit
auszubauen und nicht nur auf die dankbaren Feuereffekte zu setzen.
Abschließend könnte man dem Essay
unterstellen, dem Kriegsfilm für Menschen die Kriegsfilme mögen
nicht gerecht zu werden. Auf der anderen Seite zeigt es sehr
überzeugend inszenierte Filme, die ohne große Specialeffects und
Heroisierung auskommen. Über den Vergleich dieser so
unterschiedlichen Filme eines Genres zeigt Lee die Besonderheit von
La France und
Marwencol, es ist
nicht nötig eine Wertigkeit der filmischen Strategien aufzubauen. /
18.04.2013
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