Donnerstag, 25. April 2013

HORROR REWIND





Ein Essay von Igor Jovic zu Covadonga G. Laheras „Horror Rewind“

Zwei dunkel gehaltene Räume, zwei apathische Gesichter, beklemmende Rastlosigkeit, die die beiden voneinander getrennten Szenen verbindet. So beginnt der Videoessay „Horror Rewind“, indem David Lynchs Klassiker Lost Highway (1997) und Richard Fleischers 1969 entstandener Film The Boston Strangler behandelt werden. Auf der einen Seite Lynchs surrealistische und verwirrende Bildsprache, auf der anderen Seite Fleischmanns halbdokumentarisch hektische Kameraführung. Im Splitscreen gekoppelt wird hier zwischen den Werken eine interagierende Handlung geschaffen. Zwei Kulissen, zwei Killer und zwei Gewaltverbrechen. Doch es scheint fast so, als würden sich die unabhängig voneinander entstandenen Sequenzen beeinflussen und aufeinander aufbauen. Lost Highway könnte hier die Szenerie eines traumatisierenden Gedankenkonstrukts einnehmen, The Boston Strangler, die Rolle einer angsteinflößenden Realität.

Auf der Lynch-Seite beginnt der Clip mit Nah und Detailaufnahmen des Protagonisten und wechselt dann in eine Planfahrt durch dunkle Korridore, losgelöst und schwebend endet diese an einem Mordschauplatz. Auf Fleischers Seite bewegt sich zeitgleich die Kamera durch den Raum und trifft auf dessen Figur. Darauf folgt ein Schwarzbild, um danach von angstverzerrten Frauengesichtern ersetzt zu werden. Links der Mord, rechts die geschockten Gesichter. Durch die Verdichtung der Spielfilmszene entsteht bei Lynch eine unbegreifliche, unstrukturierte und wahnhaft scheinende Welt, ausgelöst durch schnelle Montagemomente, Bildeffekte und unnatürliche Blickwinkel auf die Kulissen.




Bei Fleischer wird der Fokus auf die psychotische Hauptfigur gelegt. Handkamera, Zoom-Ins, Plansequenzen und immer wiederkehrende Nahaufnahmen auf dessen Gesicht und Hände spiegeln seinen Realitätsverlust und seine Gewaltfantasien wieder und werden durch die parallel laufenden Lynch-Sequenzen unterstrichen. Es entsteht der Eindruck, man könnte sehen was Fleischers Protagonist denkt und fühlt. Eine unbehagliche Stimmung wird ausgelöst. Einen dramaturgisch sehr gut gelungenen Augenblick erreicht der Clip mit der Verhörszene aus The Boston Strangler. Auf der rechten Seite das kalte und helle Verhörzimmer, auf der linken Seite ein dunkler Highway, aus der subjektiven Perspektive eines fahrenden Autos. Im hellen Verhörzimmer durchlebt der Protagonist die zuvor erlebte Mordsituation erneut und verliert dabei immer mehr den Bezug zur Realität. Als Metapher für den Realitätsverlust steht hier der gezeigte Lost Highway gegenüber.



Durch die Gegenüberstellung der beiden Werke wird gezeigt, dass die Möglichkeit besteht mit unterschiedlichsten filmischen Mitteln beklemmende Gefühle beim Rezipienten zu erzeugen. Bei Lynch durch die Verwirrung und Traumatisierung, bei Fleischer durch das Gefühl des Dabeiseins am Ort des Geschehens. Die Parallelmontage der beiden Filme lässt ein symbiotisches Spiel zwischen Traum und Realität entstehen. /13.04.2013




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