Ein Essay von Manuel Gehrke zum Videoessay „Beautiful Nightmares“ von Nelson Carvajal
David Lynch bietet uns eine breite Fläche für filmvermittelnde
Filme. Sie könnten gut als ein großer Traum verstanden werden und
so liegt die Untersuchung als Gesamtwerk nah. Die surrealistischen
Welten ziehen sich durch das Werk des Regisseurs und immer wieder
vermischen sich hier die verschiedenen Genre des Thriller, Horror und
Film Noir zu einer mysteriösen Entdeckungsreise, bei der man sich an
Luis Bunuel erinnert fühlt. Filme wie Mullholland Drive (2001)
oder Eraserhead (1977)
machen es schwierig von Verstehen zu sprechen, vielmehr
vermitteln sie einen Eindruck einer kreativen Schaffenswelt und einer
Grundstimmung, in der unermüdlich neue Rätsel aufkommen. Er
inszeniert zwischen Traum und Realität ohne wahrnehmbare Zäsuren zu
setzen.
Die Farbe Rot, lange Straßen die durch die Dunkelheit führen oder
das unvermittelte Auftauchen von Vermittlern, die oft den Eindruck
einer Jahrmarktsshow der 50er Jahre erwecken, sind Leitlinien, die
sich immer wieder wie eine Referenz auf sich selber wiederholen. An
ihnen kann man sich entlanghangeln, als konsequent durchgeführtes
Stilmittel geben sie einem Halt in einer sonst so unüblichen
Erzählstruktur. Lynch bietet dem Filmwissenschaftler viele
Möglichkeiten zu versuchen Konstanten und Stilmittel zu entdecken
und mit ihnen den Versuch zu starten, eine Vermittlung der
Arbeitsweisen, Strukturen oder filmischen Auflösungen zu finden.
Dieser Filmvermittelnde Film von Nelson Carvajal trägt den Titel:
„Beautiful Nightmares: Davis Lynch´s Collective Dream. Das
impliziert das Gesamtwerk Lynchs als einen Traum anzuerkennen und zu
untersuchen. Das Essay macht das exemplarisch und unternimmt nicht
den Versuch einer kompletten Inventur, sondern zeigt vielmehr an
einigen gut gewählten Beispielen welche Motive sich wiederholt
finden lassen.
Eingeleitet wird mit einer Szene aus Wild at Heart (1990),
in der Lula, Sailor Ripley auffordert Musik zu spielen, was er darauf
hin tut. Damit wird eine Sequenz aus Tanzszenen in unüblichen
Situationen eingeleitet. Die Performance als sich wiederholendes
Stilmittel, das für Irritation sorgt. Vielleicht kann man sie als
Ruhepunkt verstehen, dass wir sie einfach wirken lassen können ohne
zu analysieren oder einzuordnen. Das Aufreihen dieser Momente ohne
den restlichen Film bringt uns die Besonderheit ihres Wirkens näher.
Die wenigen konstanten Charaktere bilden den nächsten Teil des
Essays, es zeigt ihre oftmals überspitzte Darstellung. Sie wirken
wie wohl platzierte Kunstwerke in einer Galerie und man möchte in
ihren Gesichtern die Irritation lesen, die wir selbst erfahren.
Gewaltvoll treffen wir immer wieder unvorbereitet auf neue
Persönlichkeiten und kunstvoll inszenierte Sujets, die ohne jegliche
Einleitung auf uns einschlagen. Wie in unseren Träumen bleibt der
größte Teil ihrer Biografie im Dunkeln, was ihr Handeln und Agieren
für uns noch mysteriöser erscheinen lässt.
Das Essay verzichtet auf einen gesprochen Off-Kommentar und lässt
lieber die Charaktere selbst zu Wort kommen.
Frank (Blue Velvet [1986]): „I´ll fuck anything that
moves“
Der O-Ton von Dan aus Mullholand Drive ist
gut gewählt und gibt uns einen Hinweis auf das träumerische und
widersprüchliche und darauf, dass Realität und Traum sich immer
wieder vermischen.
„Well,
it's the second one I've had, but they're both the same. They start
out that I'm in here, but it's not day or night. It's kind of
half-night, you know? But it looks just like this, except for the
light. And I'm scared like I can't tell you. Of all people, you're
standing right over there, by that counter. You're in both dreams and
you're scared. I get even more frightened when I see how afraid you
are, and then I realize what it is. There's a man … in back of this
place. He's the one who's doing it. I can see him through the wall. I
can see his face. … I hope that I never see that face, ever,
outside of a dream. … That's it.“
Schließlich folgt ein Zitat von Lynch aus dem Jahr 1986, : „ …
because it´s a trip beneath a beautiful surface but to fairly uneasy
interior“.
Und so bleibt ein Eindruck zurück, der das Bedürfnis mehr zu
erfahren frei gibt. Man beginnt mit der Recherche über die Filme und
versucht die Geheimnisse zu enttarnen, mit denen wir konfrontiert
wurden. Das Essay gibt einen Eindruck der „lynchesken“ Welt, in
der wir mit unseren Interpretationsversuchen immer wieder an unsere
Grenzen stoßen werden. Doch das ist vielleicht gar nicht nötig bei
einem Film von David Lynch. / 13.03.2013
Weitere filmvermittelnde Filme zu David Lynch:
https://vimeo.com/groups/audiovisualcy/videos/24074036
https://vimeo.com/groups/audiovisualcy/videos/53466226
Weitere filmvermittelnde Filme zu David Lynch:
https://vimeo.com/groups/audiovisualcy/videos/24074036
https://vimeo.com/groups/audiovisualcy/videos/53466226
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