Ein Essay von Melissa Benno zu Scott Chandlers „The Shining (Corridors)“
Lange Korridore, verwinkelte Gänge, Treppenhäuser, ein dichtes
Labyrinth. Das alles sind Schauplätze des Klassikers The Shining (1980)
von Stanley Kubrick. Sie fungieren jedoch nicht nur als Kulisse,
sondern werden selbst zu Akteuren, ohne dass es dem Zuschauer
vielleicht bewusst wird. Stanley Kubrick als Perfektionist der
Inszenierung von Raum und Architektur zeigt auf, wie Unbehagen und
Beklemmung auch durch die körperlose Präsenz und Atmosphäre von
Orten transportiert werden kann. Obwohl dem Genre zuzuordnen, ist The
Shining kein typischer Horrorfilm. Auf Effekthascherei wird
verzichtet, Schockmomente finden sich nur an wenigen Stellen. Das
Grauen wird auf eine subtilere Art vermittelt und
funktioniert zu großen Teilen über die Darstellung der
Örtlichkeiten. Das Haus als solches, welches eigentlich
Behaglichkeit und Schutz bieten soll, wird zum Feind, es bedrängt,
fängt ein und liefert aus.
Mit dieser Raumwirkung befasst sich der Autor des Filmes „The
Shining (Corridors)“ Scott Chandler. Der Beitrag folgt der
Dramaturgie von The Shining, jedoch wurde dieser so
verdichtet, dass nur noch die Szenen, welche in den Korridoren und
Gängen des Hotels, sowie im Labyrinth spielen, zu sehen sind, so
dass von dem ursprünglich 143 Minuten langen Werk noch 17 Minuten
übrig bleiben. Auf eine Sprach - oder Textebene wird komplett
verzichtet, stattdessen hört man den Original-Ton des Filmes. So
folgen wir stetig den Protagonisten durch die vielen Windungen und
Winkel der Korridore des Overlook Hotels und des düsteren
Heckenlabyrinths. Immer auf der Flucht vor der Kamera - die als
unruhiger Verfolger nicht von deren Seite weicht – und vielleicht
sich selbst. Isolation und Wahn sind Motive des Filmes, diese
spiegeln sich in den klaustrophobisch anmutenden Raumverhältnissen
wider.
Sind wir zu Beginn noch von der opulenten Architektur des Hauses
beeindruckt, stellt sich mit fortlaufender Dauer jedoch immer mehr
ein Gefühl der Beklemmung ein. Die Räume erscheinen nicht mehr als
schützende Rückzugsorte, sie werden zum Gefängnis, umrahmen die
Protagonisten und bedrängen sie. Durch das montieren der im Haus
spielenden Sequenzen zu den Außenaufnahmen wird deutlich, dass nicht
nur im Außenbereich ein Irrgarten vorhanden ist. Vielmehr herrscht
hier eine sonderbare Symmetrie, die vielen Gänge und Winkel des
Hauses sind nichts anderes als ein riesiges Labyrinth, in welchem
sich die Figuren verlieren. Scott Chandlers Filmaufbau rückt
außerdem die, von Kubrick so oft benutzte Zentralperspektive in den
Fokus der Aufmerksamkeit, welche eine Art mesmerisierenden Sogeffekt
erzeugt.
Das Unbehagen und die Ausweglosigkeit der Situation trägt sich über
die Handlung beziehungsweise die schauspielerischen Leistungen der Darsteller,
wirklich atmosphärisch wird der Film dann durch die Inszenierung der
Orte. Der Autor macht diesen Horror der Räumlichkeiten durch die
verdichtete Narration noch intensiver. Der Film funktioniert auch
ohne Off-Kommentar sehr gut, da die Bilder alleine schon genug von
der Atmosphäre vermitteln, als auch die Örtlichkeiten für sich
selbst sprechen, vor allem in der verdichteten Form. Außerdem
erfüllt er insofern ein Kriterium eines gelungenen filmvermittelnden
Films, dass er dazu anregt sich weiter mit der Thematik zu
beschäftigen und diverse andere analytische und weiter in die tiefe
gehende Beiträge - beispielsweise zu Kubricks Set Design - zu
sichten. /29.03.2013